19. Mai 2017

18. Jahrhundert

Zu Beginn des 18. Jahrhunderts nahm die Bedeutung des Schützenwesens auch in Alstätte mehr und mehr ab. Die Landesherrn verliessen sich nun fast ausschließlich auf ihre Söldnerheere und Truppen. Die Schützenfeste aber wurden beibehalten und entwickelten sich zu ländlichen oder dörflichen Zusammenkünften, bei denen das Feiern, sowie des Essen und Trinken zur Hauptsache wurden.

Als neues Betätigungsfeld boten sich polizeiliche Aufgaben und Ehrendienste zu verschiedenen Anlässen an, wie die Teilnahme an Prozessionen, Ehrungen von Veteranen, Totenehrungen und Empfänge hochstehender Persönlichkeiten.

Die Schützenfeste entwickelten sich langsam aber stetig zum Höhepunkt des gesellschaftlichen Lebens einer Gemeinde, eines Dorfes oder einer Stadt. Gelegentlich griffen jedoch die Fürsten auf die wehrfähige Bevölkerung zurück, um Angriffe abzuwehren und Hab und Gut der „Untertanen“ zu schützen.

Eine Liste der wehrfähigen Bürger des Kirchspiels und Dorfes Alstätte aus dem Jahr 1757 ist noch vorhanden und nachstehend als Teilstück abgebildet. Text der nachstehenden Liste nach Übersetzung des Artikelverfassers:

„Register derer Bürger des Kirchspiels und Dorfes Alstätte so den 17 ten März 1757.

Für die Musterung erschienen (arglistige) Rechtsprecher mit Ober- und Untergewehr so etwa mit 12 Schuß Pulver und 12 Kugeln“! In der sich anschließenden Liste werden 163 Personen genannt; sechs Namen sind nicht lesbar.

Als „Bauernrichter“ wird Schulte Varwerck, als Leutnant Hinderich Ãœlsen, als Feldwebel Wigber, als Korporale Tenfelde, Hane und Hildebrandt, als Tambour Spillmann und als „Boomschlüter“ Kamp, Render, Haveloh, Terhalle und Gerwing aufgeführt. 68 der angeführten Personen scheinen Bauern und Kötter zu sein; 31 wohnten in „Lieftuchten“ und 21 werden Spiekermänner genannt. Spiekermann=Landarbeiter. 43 Personen sind Dörfler.

Ob die Personen dieser Liste jemals zu militärischen Zwecken dienstverpflichtet oder gar eingesetzt wurden ist unbekannt, aber sehr unwahrscheinlich, da eine längere Ausbildung sicher notwendig gewesen wäre. Außerdem blieb zu dieser Zeit das westliche Münsterland von kriegerischen Auseinandersetzungen weitgehend verschont.

Aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts stammen die ältesten noch vorhandenen „Schilder“ an der Königskette des Vereins. Diesen historischen Belegstücken, mit den Namensangaben der Königspaare, wird heute eine besondere Bedeutung zugebilligt.

Aus dem verwendeten Grundmaterial, der Schildgröße, der Herstellungsart und der Motivdarstellung läßt sich auf den Wohlstand der jeweiligen Zeit, auf die Sozialstruktur des Dorfes und dessen Bewohner und den Stand des Königs schließen.

1768, Schützenkönig J.H. Rensing

Ob schon vor 1768 – das älteste Schild mit der Inschrift J. H. Rensing trägt diese Jahreszahl – Königsschilder in Alstätte vorhanden waren, ist unbekannt. Zwar wird noch heute die Ansicht vertreten, daß der Schützenverein eine noch ältere Schützenkette der Kirche gestiftet habe und diese in Notzeiten veräußert worden sei. Einer kritischen Untersuchung hält diese Aussage jedoch nicht stand, da Beweismaterial nicht auffindbar ist.

Interessant ist die Tatsache, dass die Schilder der „Alstätter Schützenkette“ aus den Jahren 1768 bis 1785 die gleichen Meistermarken mit dem Kürzel BR aufweisen, wie die Schützenkettenschilder des „Allgemeinen Bürgerschützenvereins St. Georg zu Vreden“. BR ist das Meisterkürzel des Silberschmiedes Bernhard Reckers aus Vreden. Das Schild wurde einem Orden in Kreuzform nachempfunden und sicher als Ursprungsschild für eine neue (oder vielleicht auch eine erste) Schützenkette gefertigt, worauf die drei Kettenösen – zur Anbringung einer Tragekette – zweifellos hinweisen. Als Bildmotiv auf dem oberen, mittleren Kreuzbalken wurde das Bildnis der Patronin der Heimatpfarrkirche „Mariä Himmelfahrt“ gewählt. Die Mutter Gottes wird auf der Mondsichel stehend zum Himmel emporgehoben. Die Verbundenheit der Schützen mit der Heimatkirche sollte sicherlich hervorgehoben werden. Die Schildrückseite zeigt das Bildnis der Hubertuslegende, wonach Hubertus sich während einer Jagd durch die Erscheinung eines Hirsches mit einem Kreuz im Geweih bekehrt habe. Hierdurch wurde der hl. Hubertus zum Patron der Jäger und Schützen erkoren.

Ein interessantes Belegstück aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ist ein heute noch im Privatbesitz des Herrn Josef Schwiep zu Alstätte vorhandenes Kupferschild, welches wahrscheinlich das Zeughaus (Gerätehaus) der Bürgerwehr bzw. des Schützenvereins zierte. Das Schild hat die Maße 30 cm x 28 cm, es ist leicht gewölbt, aus Kupfer getrieben und auf einer Grundplatte aufgenietet. Die Oberseite ist durch einen eingearbeiteten ca. 6 mm starken Kupferdraht stabilisiert. Erhaben getrieben zeigt dieses Schild ein abgeändertes fürstbischöfliches Wappen in mäßiger Ausführung. Der übliche Bischofstab und das Schwert wurden durch Säbel, Pfeile und Fahnen ersetzt.

Die Beschriftung könnte wie folgt gedeutet werden: Dorf und Kirchspiel Alstätte Brauchtum = Treue Unterhalb des Wappens weisen Kanonenrohre, Kugeln und eine Landsknechttrommel auf das Militär- oder Schützenwesen hin.

Gegen Ende des Jahrhunderts, nach der französischen Revolution im Jahre 1791 rückten schon bald die französischen Heere bis an den Rhein vor. Das Donnern der Kanonen und der Kriegslärm ließen preußische Truppen aufmarschieren, um den Schutz der Grenzlinie zu übernehmen. Die Ungewissheit über bevorstehende Kampfhandlungen unterdrückte vermutlich auch in Alstätte das Interesse an den traditionellen Schützenfesten, die zwischen 1791 und 1797 nachweislich nicht gefeiert wurden. Im Jahre 1795 drangen die Franzosen von Holland kommend gegen die Stadt Ahaus vor, welche von englisch-hannoverschen Truppen und von kaiserlicher Kavallerie, Infanterie und Kroaten verteidigt wurde. Der Angriff wurde abgewehrt, aber die Streitigkeiten häuften sich weiterhin bis zu dem Zeitpunkt im Jahre 1801, an dem der Fürstbischof zu Münster und Kurfürst von Köln, Maximilian-Franz verstarb, und nun das Stift Münster „frei“ (ohne Regent) war.